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Brief von Max Bruch an Ernst Rudorff Musikwissenschaftliches Institut Köln Max-Bruch-Archiv Signatur: Br. Korr. 154, 186
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Brief von Max Bruch an Ernst Rudorff Musikwissenschaftliches Institut Köln ; Max-Bruch-Archiv
Signatur: Br. Korr. 154, 186
Bruch, Max (1838-1920) [Verfasser], Rudorff, Ernst (1840-1916) [Adressat]
Friedenau, 25.06.1915. - 8 Seiten, 1 Kuvert, Deutsch. - Brief
Inhaltsangabe: Transkription: [Vermerk auf dem Kuvert von anderer Hand, Bleistift:] Interessantes über den Krieg, Militarismus, etc. Friedenau, 25/6 15 M. L. Wie ich eben lese, hat das General-Commando sich etwas Bessern besonnen u. sein drakonisches „Verbot“ der Deutsch. Tagesztg. zurückgenommen. Gratuliere! – Hoffentlich besinnt sich nun auch der betreff. Scribent, von dem Du sprachst, eines Bessern, und schreibt maßvoller als bisher! – Die Hitze ist wieder einmal so gräulich daß ich mich einstweilen im Lauf des Tages gar nicht hinauswagen kann. Leider kann ich also noch nicht zu Dir. Aber Ihr werdet doch auch schwerlich bei dieser „Temperamentur“ (wie unsere brave Thüringische Wirthin in Oberhof immer sagte) reisen. Ich hoffe also doch noch, Dich zu sehen – in Lichterfelde! – Der Minister Delbrück hat sich über die Ernährungsfrage sehr beruhigend ausgesprochen. Möchte diese optimistische Auffassung der Regierungskreise sich als richtig bewähren! Die Gebete der Protestantischen Hofprediger und der Katholischen Bischöfe um Regen haben bisher nicht geholfen, sie Alle scheinen nicht so viel Einfluß bei Jehowa zu haben, wie z.B. der Prophet Elias, der „um der Sünden Israels willen“ (sie taugten schon damals nichts) nach Belieben „den Himmel verschloß“ und ihn wieder „öffnete“. Wir müssen noch immer, jeden Morgen mit dem Knaben in Mendelssohn’s schönem Meisterwerk singen [Notenzitat 2 Zeilen, 4 Takte] Ich sehe nichts, d. Himmel ist ehern über meinem Haupte! – Unser Sohn Ewald (der Oberjäger und Off.-Aspirant bei den Gardeschützen) schreibt uns, daß er plötzlich versetzt worden sei und zwar in das 189. Inf. Regt. Wo das aber steht, davon haben wir einstweilen keine Ahnung. Er wird wohl bald seine neue Adresse angeben. Wenn er nur nicht nach Flandern muss – denn dort war und ist es doch besonders schrecklich! – Was die allgemeine Wehrpflicht betrifft, so ist ja das Princip an sich sehr schön; aber es ist mit diesem Princip gegangen wie mit allen Principien die man rücksichtslos und starr bis zu den äußersten Consequenzen verfolgt. Sie führen schließlich zum _ Unsinn. Denn ist es nicht der ärgste Unsinn, daß sich jetzt die ganzen Nationen bis an die Zähne gerüstet gegenüberstehen – daß viele Millionen sich mit allen Mitteln vernichten wollen – daß jede Mutter Europas ihren neugeborenen Sohn nur noch mit Thränen als das geborene Kanonenfutter begrüßen kann?!! Preußen hat diese furchtbare Last eingeführt (und mußte sie auch wohl einführen, wenn es sich, als kleinste Großmacht überhaupt behaupten wollte), und alle Andern, außer England, haben’s uns nachgemacht. Aber sie alle stöhnen mehr als wir unter der furchtbaren Last – und das ist es, was sie uns nie verziehen haben. Wenn es so weitergeht, so wird zuletzt Niemand mehr übrig bleiben. Aber alle Friedenshoffnungen sind durch das amtliche Dementi der Nordd. Allg: Ztg niedergeschlagen worden. Es muß weiter gemordet werden! Und das Chaos ist so groß, daß ich’s mir einstweilen gar nicht vorstellen kann, wie ein Friede beschaffen sein sollte. – Behalte alle diese Ketzereien für Dich! Herzlichst Dein M. B.Bruch, Ewald (1890-) [Erwähnt]
Bemerkung: Max Bruch
Objekteigenschaften: HandschriftPfad: Max-Bruch-Archiv / Korrespondenz
DE-611-HS-4305374, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-4305374
Erfassung: 26. November 2025 ; Modifikation: 26. November 2025 ; Synchronisierungsdatum: 2025-11-26T14:22:58+01:00
